The intimidated Self

Ich hab es neulich endlich geschafft, dieses Buch "The divided Self" zu lesen, von R. D. Laing (1969).

Es geht um die schizoide Persönlichkeit und auch um die schizophrene Persönlichkeit. In seiner Begriffswelt ist das ein psychologisches Spektrum.


Das Buch formuliert sein Verständnis und beschreibt unterschiedliche Fälle.

Mit einigen Fällen hab ich viel gemeinsam, andere weichen sehr stark von mir ab.


Sein Verständnis kommt der Sache recht nahe.
Die Sache wurde nicht zur Unkenntlichkeit verkannt.

Einige seiner Interpretationen der Hintergründe halte ich jedoch für völlig verkehrt. Zu gewollt auf Freudianismus ausgerichtet. Vielleicht auch zu sehr von einer Projektion des Autors bestimmt.


Er benennt eine ontlogische Unsicherheit als Ursache des Soseins.
 
Ich finde sehr fagwürdig, ob man die offenkundige Unsicherheit der Person als "ontologisch" verstehen kann, und ob sie als Ursache gesehen werden kann.



Ontologisch heißt 'aufs Sein bezogen'.
Das Sein ist für meine Begriffe eine strukturelle Begebenheit.
Als Gegensatz zur Struktur sehe ich Prozess, Veränderung - dazu gehört also die Handlung. Du bist als Sei also definitiv nicht das, was du tust, für meine Begriffe.

Es liegt aber bei der schizoiden Persönlichkeit relativ "ursächlich" oder jedenfalls als essenzielle Eigenschaft eine Unsicherheit im Handeln vor, also nicht im Sein.


Darum geschieht eine Verkrampfung ins "so sein".
Als ausweichmaneuver von der Handlung.
Nicht weil einem das Sein selber unsicher erscheint.


Das ist gewissermaßen auch eine Verkrampfung ins "Haben". "Haben" von relativ beständigen, unangreifbaren Vorstellungen und Fähigkeiten, also subjektiven Hirnwindungen - wo eine Sicherheit vor dem Erleben von zum scheitern verurteilten Handlungen empfunden werden kann.

Im Sein ist man sicher vor dem erleben der Interaktion mit dem Gegenüber.

Die Furcht ist, in der Handlung zu Tode zu kommen. Also tatsächlich auch Furcht vor ontologischem, aufs organische Wesen, aufs Sein bezogenem Schaden. Das kann man aber nicht als ausserordentliche Selbst- bzw Seins-unsicherheit bewerten.

Es ist nicht nur die Handlung selbst, die in den Augen des introvertierten zum scheitern verurteilt ist, im Konflikt mit narzisstischen Eltern, mit Psychiatern oder wer auch immer für die Einweisung der schizoiden Person in die Psychiatrie verantwortlich war - es geschieht auch ein Mord der wirtschaftlichen Eigenständigkeit durch Entmündigung.

Das organische Sein ist also durch den Tod bedroht.
Mindestens soll hier ein Fisch an Land gesetzt werden.

Oder ein Papiertieger im Wasser ertränkt.

Diese "Unsicherheit des Seins" ist ein objektiver Tatbestand, keine konditionierte psychologische Einschätzung, die man als schizoide Persönlichkeit, also subjektive Grundeinstellung beschreiben kann.

Die psychologische, subjektive  Einschätzung ist, dass jede authentische Handlung zum scheitern verurteilt sein muss, weil der schizoide Mensch gewohnheitsmäßig immer davon ausgeht, dass alle anderen Menschen und die Gesellschaft selbst hoffnungslos und ausnahmslos narzisstisch, grenzverletztend, dominierend, unterdrückend, ablehnend, ausnutzend ausgerichtet sind.

Und dass man nicht die Ninja-skills besitzt, so eine Welt in ihre Grenzen zu verweisen oder darin etwas sinnvolles zu erreichen.

Die Grundeinstellung bzw Einschätzung ist also eine intentionale Unsicherheit, keine ontologische.

Jeglichen Absichten wären von vorne herein zum scheitern Verurteilt und man hört komplett auf, von irgend welchen Abenteuern zu träumen.

Eine auf den interaktiven Prozess ausgerichtete Unsicherheit. Eine Lebensfurcht und eine "Realitätsflucht", insofern der Begriff Realität, wie im Kapitalismus üblich, durch wirtschaftliche "Notwendigkeiten" (also Konkurrenz um Arbeitsplätze, das Vortäuschen von Unentbehrlichkeit, Werbung) definiert ist.



Jedoch gibt es tatsächlich auch die ontologische, also "auf Sein bezogene" Unsicherheit.


Zum einen, die im Buch beschriebene Unsicherheit des Seins. Die aber, anders als im Buch behauptet, nicht als Ursache der schizoiden Einstellung, sondern nur als Konsequenz derselben zu Stande kommt.

Denn Fähigkeiten sind ja ein Teil von strukturellem Sosein, dieser Teil erscheint einem aber höcht unsicher, denn die Fähigkeiten sind nicht tätlich ausgebildet, darum bleiben sie sehr schwach und regelrecht schwer zu greiffen.

Ursächlich ist die Vermeidung von absichtsvollen, auf authentische Wünsche abzielenden Handlungen.


Es entsteht auch eine Beschränkung der subjektiven Fähigkeiten des Vorstellens selber.

Also des Träumens - des Visionierns - WAS will man, sowie auch des Taktierens, und Strategierens - wie könnte man es erreichen, wobei letzteres sowiso schon daran scheitert, dass man äussere Möglichkeiten nicht kennt.

Also ist es eine Beschränkung der intentionalen Vorstellungen auf pure Imagination, also auf "den Kopf" (im Gegensatz zur Körperlichkeit oder realen Handlungswelt).

Man erlebt noch ab und an eine Hand voll dezidiert unrealistischer Träume, deren Umsetzung man sich nicht wirklich zutraut, welshalb man sie nicht weiter testet aber genau darum mag man sie auch nicht als völligen Unfug verwerfen und so mögen auch immer wieder die selben Träume vorkommen.


Ohne Experiment werden Vorstellungen von eigenen Möglichkeiten nicht festgehalten, bzw festgestellt. Vorstellungen bleiben in ständiger Bewegung. Die ständige Bewegung kann sogar sehr ausgeprägt scheinen und schizoide werden darum ja auch als immaginativ beschrieben, manche haben sogar Geschick zum Geschichten schreiben, aber in all der Bewegung liegt eben auch enorme Unsicherheit, im Vergleich zum Erfahrungsschatz eines vielseitig handelnden Gewohnheitsmenschhen.

Zwar sind auch Handlungen in Bewegung, jedoch erzielen diese beständige oder sehr einprägsame, sinnliche Resultate. Einen Lebensstil, in dem man seine Identität erkennen kann. Du bist, was du tust, glaubt der Mensch mit normaler Grundeinstellung, normalem Vertrauen in manifeste Handlung.

Nichts, außer sehr gutem Erinnerungsvermögen, kann völlig freie, bewegliche Vorstellungswelten beständig machen. Sehr junge Kinder und nicht mehr ganz frische Gehirne (über 21) haben jedoch kein gutes Erinnerungsvermögen.

Jede egoische Identität entgleitet einem schizoidem "Träumer" und wird alsbald von einer anderen abgelöst.

Dadurch erscheint einem die eigene Identität immer wieder befremdlich und außer Kontrolle. Man glaubt sich unter Kontrolle zu haben, bzw sich auf sich selber verlassne zu können, wenn einem stehts Ähnlichkeit von Erwartung und Ergebnis gegeben ist. Man mag das auch als Wirklichkeit benennen, mit der man in Kontakt sei. Dem gegenüber stehen Begriffe wie Irrtum oder der Irrsinn bezeichnend für eine ständige Veränderung von Vorstellungen, aufstellen und verwerfen von Hypothesen.

Wenn das Sein auf Vorstellungen beschränkt wird, entgleitet einem das Vertrauen in die Realität. Das Leben wird ein Traum, Identitäten sind bloß Traumcharaktere.



Du spinnst halt.

Alter!


Und dann gibt es ja noch eine ganz andere ontologische, aufs Sein bezogene Unsicherheit, die tatsächlich Ursächlich für eine Grundeinstellung sein kann, jedoch einem ganz anderem Typus zu seiner Grundeinstellung verhilft, nämlich dem extrovertiertem Typus zur hysterischem Grundeinstellung.


Der extrovertierte hat zum strukturellen Wesen zunächst wenig direkten begrifflichen Zugang, da die extrovertierte Intelligenzlinie vornehmlich in objektiven Begriffen denkt und eine zweite, introvertierte Denklinie wird nicht immer ergänzend hinzu entwickelt.

Bei einer extremen Distanz zur Introversion, kann sich der extrovertierte allein in der Handlung in Szene setzen. Er muss zwanghaft Lieblingshandlungen ausführen, um sich selbst zu kennen. Sein handeln kann also nicht immer angemessen auf die Wirklichkeit eingehen, sondern muss unbewusst eine Reihe von typischen Dramen veranstalteten. Da werden dann Parteiprogramme draus.

In dem Spektrum der ursächlichen, aufs Sein oder Wesen bezogenen Unsicherheit (bzw Unbewusstheit) ist wahrscheinlich auch der bi-polare Mensch, der aber durch Verwechslung auch als Beispiel für den schizoiden Typen beschrieben werden kann, weil er einen schizoiden Anteil entwickelt haben mag.

In der Typologie gibt es ja den Mischtypen. Extrovertierte mit introvertiertem Denken sind zb ENFJ und ENTP.

Während der hysterische Typus, wie ich ihn begreife, aufgrund eines einfachen Gemüts in seinem Entwicklungsstadium maximal von Introversion entfernt ist, hat sich der Bi-polare durch große Sensibilität der Introversion maximal angenähert, als midlife crisis.

Und es gibt weiterhin auch den Introvertierten mit einer ungewöhnlich überzogener extrovertierten Grundeinstellung. Allerdings beobachte ich hier häufiger eine hysterische oder dominante Einstellung, als eine manische. Manie spielt für den introvertierten Mischtypen eher die Rolle einer Episode, als einer Grundeinstellung.

In solchen Fällen, also wenn grundverschiedene Typen, introvertierte und extrovertierte, als Beispiel für "schizoides" Verhalten angeführt werden, muss es zur totalen Verwirrung darüber kommen, ob die involvierte ontologische Unsicherheit nun Konsequenz oder Ursache ist.

Es kann nur eine Definition von "schizoid" richtig sein und auch nur eine macht Sinn.

Ursache der intentionalen, also der auf Handlungen und Effekte bezogenen Unsicherheit von Schizoiden ist die Einschüchterung durch ein narzisstisches Elternhaus und Schulsystem, in dem man zu unauthentischen Handlungen gezwungen war und in dem alle authentischen Handlungen, die im Haushalt irgend einen Unterschied gemacht hätten, verboten waren.

Oder um es mehr in der Gegenwart zu formulieren: Es liegt eine Introjektion der Grundeinstellungen des Elternhauses und der Gesellschaft vor, durch die die Welt der möglichen/erlaubten/denkbaren Handlungen Absichtsmäßig so völlig vereinnahmt ist, das sich subjektive Fähigkeit, also Kreativität nur auf Vorstellungen oder Gedanken anwenden lässt.

Jedoch kann nur ein introvertierter Typus derart eingeschüchtert werden, denn nur er ist überhaupt im Stande, sich in Vorstellungen zu verstecken. Und es erfordert auch ein analytisches Talent, so eine komplexe Introjektion des Weltgeschehens in sich aufzunehmen. Durch angst motivierte Beobachtungen der Wertesysteme anderer muss man sich eine Vorstellung davon machen können, welche Interessenkonflikte zu erwarten sind, um sie großräumig zu umgehen.

Dem extrovertierten jedoch bleibt nichts anders übrig, als sich im Interessenkonflikt zu üben. Er kann sich nicht zurück ziehen, kann aber auch nicht begreifen, was ihn in der Welt grundsätzlich an Konflikten gegenübersteht, jenseits der offenkundigen Situation. Er kann Absichten anderer nur unbewusst als Introjektion verinnerlichen und damit verschmelzen, er kann sie nicht von sich selbst unterscheiden und trennen und objektivieren, abstrahiert generalisieren, wie es der Introvertierte kann. Dadurch wird er, mehr oder weniger, ebenso narzisstisch, wie die Eltern, als notwendige Abwehr der konkreten Konsequenzen der Methode und mit Begabung.

Nun geht der extrovertiert denkende Psyichater aber von einer patologisierbarkeit der Introversion aus.

Er setzt die eingeborene Introversion mit der schizoiden Grundeinstellung gleich und spricht das Elternhaus von einer Ursächlichen Rolle weitgehend frei.

Er schreibt dem schizoidem immer wieder eine intrinsische Absicht für das falsche Selbst, also seine Anpassungstrategie zu, weil er die Strategie nicht als bloßes Spiegelbild der Introjektion (Erwartungshaltung anderer) erkennt.

Er versucht zu unterstellen, dass das Motiv der hohlen, rein passiven, minimalen Anpassungsstrategie, ursächlich nur dem Schutz einer angeblich "omnipotenten" (selbst erhöhenden, also narzisstischen) Vorstellungswelt diene.

Ihm scheint nicht klar, dass die schizoide Vorstellungswelt selbst nur minimale Potenz (Intentionalität) beinhaltet.

Introvertiertes denken ist empfangend, analytisch, unterwürfig aber auch kreativ. Es verschlingt und verdaut. Kreativität kann man zwar als "omni" bezeichnen, nicht jedoch als potent.

Die Vorstellungswelt mag allerdings ausgeprägte Abwertungen der Kompetenzen (Potenzen) der kapitalistischen, sogenannten "Realität" beinhalten. Man versucht die Macht der Introjektionen zu entmächtigen, um sich eine minimale Macht zurück zu erobern. Darf ich mich wenigstens selbst diagnostizieren, Herr Doktor? Der Auto erkennt sehr wohl, dass der schizoide die Welt gern verspottet, während er sie notgedrungen imitiert. Man setzt sich etwa so betont als Diener in Szene, dass dem Herren seine Position peinlich werden muss. Aber am Ende dient man doch wieder nur, weil man sich was anderes eben nicht vorstellen kann. Man hat nix anderes gelernt. War immer so damit beschäftigt, das System anderer zu dekonstruieren, dass man sich kein eigenes aufbauen konnte. Das geht aber auch nur learning by doing und das durfte man ja nicht.


Er berücksichtige bei der Unterstellung nicht, dass im Umfeld des Schizoiden eine objektive Bedrohung jeglicher "Potenz" vorliegt, nicht lediglich einer unangemessen "Omni" potenz.

Das riecht nach einer Projektion von psychiatrischem Narzissmus.

Psychiater sind ja oft eher narzisstisch veranlagt: anal, dominant, reduktiv, kontrollierend, akademisch also kognitiv extravertiert-denkend. Somit ein kognitives Gegenteil zum schizoid veranlagtem Mensch: empfindsam, imaginativ, analytisch, ängstlich vermeidend, autodidaktisch also introvertiert denkend.

Der etablierte Psychiater will ja Omnipotenz über das Leben anderer erlangen, durch seine extrovertierte Gedanken, Protokolle, Methoden, die andere nicht nur reduktiv beschreiben sondern auch in ihrem Verhalten leiten wollen. Hier liegt also eine auf Omnipotenz ausgerichtete Vorstellungswelt vor, die sich nicht gern an der Realität messen lassen will und sich darum im Keller einer Burg im Schwarzwald austobt.


Der schizode Mensch lässt sich davon aber nicht einwickeln.



Also so was ähnliches wollte ich glaub ich zum Ausdruck bringen, aber wer weiß das schon so genau.

Es war insgesamt ziemlich anstrengend, das Buch zu lesen.

Aber es hat sich gelohnt, denn es hat mir nochmal das ganze Drama meines Lebens vor Augen geführt. Die Theorie war mir ja nicht vollständig neu, aber die Konditionierung und insbesondere das falsche Selbst ist wie ein Dialekt, dessen Limitationen einem beim Sprechen unbewusst bleiben.

Ich empfehle das Buch darum für Betroffene. Hab das Buch nur auf englisch.

1 Kommentar:

  1. Interessant. Das Buch erschien VOR Alice Millers "Am Anfang war Erziehung" (1980) und auch vor dem Buch, das ich gerade lese: "Seelenprügel - was Kindern in Kitas wirklich passiert" von Anke E. Ballmann (2019). Auch darüber hinaus unterstützen Theorien - auch aus der Hirnforschung - inzwischen das, was Du sagst. Ursachen sind im Umfeld zu suchen. Der große blinde Fleck der Gesellschaften aller Zeiten schickt sich an, dem Sehen zugänglich zu werden. "Was ist uns eigentlich angetan worden und von wem?"

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